Gelangweilt sieht Sonja sich im
Café um. Was kann sie tun? Die Kaffeemaschine putzen? Nein, das hat sie vor
einer halben Stunde schon gemacht. Die Tische? Nein, auch schon erledigt.
Sie wirft einen Blick auf ihr
Handy. Huch, denkt sie überrascht, eine SMS. Sonja hat das Piepen gar nicht
gehört.
Die Nachricht ist von Courtney.
“Hi Sonja, would you and Stephen like to join us for Oktoberfest?”
Sonja ist irritiert. Was will sie? Zum Oktoberfest? Aber das ist doch
in München. Sie beginnt zu tippen:
„Muss dein Mann schon wieder nach
Deutschland fliegen? Und ihr kommt mit?“
Die Antwort kommt
sofort:
“No, not that far. ;-) … like Kitchener.”
Sonja liest die SMS zweimal. Sie versteht immer noch nicht, was
Courtney von ihr möchte. Was hat das Oktoberfest mit einer Küche zu tun? Statt
zu antworten, drückt sie auf WÄHLEN. Anrufen ist immer besser, denkt sie.
“Hey there, did I confuse you?” Courtney
Petzold asks cheerfully.
„Ja, du hast mich tatsächlich verwirrt. Wo wollt ihr hin?“
“Kitchener-Waterloo. It's the second largest Oktoberfest in the world. Did you know that?”
„Das zweitgrößte Oktoberfest der Welt? Du veräppelst mich, oder?“
“Really, that’s no joke. There’s a large German
speaking Community there. They’re descendants of the immigrants that settled
there a long time ago, many of them date back to the 1800s.”
„Warte mal. Das Wort kenne ich nicht. Was sind sie?“
“You mean the word ‚descendants‘?”
„Ja, genau das meine ich.“
“Well, … descendants are the children … of the
children … of the children – bla bla bla – of the people that came here long
before we were born.”
„Hä?“
“You could also say: The
great-great-great-great-grandchildren of –”
„Ach, du meinst NACHFAHREN.“
“Yes, exactly. That’s the word. The Nachfahren of the immigrants who came over from Europe, mostly Germany and Switzerland.”
„Also, die Nachfahren von den deutschen Einwanderern.“
“Right.”
„Und mit Einwanderern meinst du die, die während des Kriegs nach Kanada
gekommen sind?“
“Actually, I think they came long before the war started. And you know what? I heard that many of them still live in their
traditional German ways. Like, eating German bread and pretzels, wearing their
Lederhosen, –”
„Ach ja?“, unterbricht Sonja. „Brezeln und Lederhosen? Verkaufen die
auch Kuckucksuhren?“
“Yes, and not only that. They also –“
Schon wieder unterbricht Sonja Courtneys Satz, genervt und ungeduldig
zugleich. „Das ist also die deutsche Tradition, ja? Noch etwas? Vielleicht
tragen die Frauen ein Dirndl und tanzen den Schuhplattler?“
“Yeah, I believe so. That’s neat, isn’t it?”
„Nein.“
“No? … But … I thought …”
Sonja überhört die Enttäuschung in Courtneys Stimme. „Warum denkt
eigentlich die ganze Welt, dass wir Deutschen nur Lederhosen tragen und
Kuckucksuhren verkaufen? Das stimmt nicht.“
“Well,” Courtney replies carefully. “Maybe
because that’s the picture we have of Germany. I know it’s a modern country and
most of the people wear regular clothes. But isn’t it nice to stick to the
traditions every once in a while?”
„Natürlich sind Traditionen gut“, erwidert Sonja genervt. „Aber warum
muss es immer die Lederhose sein? Deutschland hat doch noch viel mehr zu
bieten. Die Nordsee zum Beispiel, oder die Ostsee, oder die Berliner Currywurst,
… Es gibt so viel. Warum nimmt man das nicht mal als Bild von Deutschland?“
“Hm, don’t know.”
Es entsteht eine kurze Pause – jedoch nicht lang.
“I just thought it’d be nice to go there and
check it out,” Courtney says carefully. “But if you don’t want to come, that’s
fine. You don’t have to.”
Noch eine Gesprächspause.
Dann lenkt Sonja ein. „Entschuldigung. Ich glaube, ich habe überreagiert. … Manchmal kommt es einfach so … Du kennst mich ja.“
“Hmmmmm,” Courtney answers, stretching it a
little longer than necessary. “You’re lucky, I have actually gotten to know you
quite a bit. So I won’t take it personally.”
„Puh, dann bin ich ja froh“, antwortet Sonja erleichtert und nach einer
weiteren Pause fügt sie hinzu: „Anschauen könnte ich es mir ja mal ... euer Oktoberfest in der Küchenstadt.“
“You mean Kitchener,” Courtney corrects her. “By the way, the former name of Kitchener was Berlin. Did you know that?”
„Berlin? Wie meinst du das?“
„Ui, was hat denn der englische Kriegsminister damit zu tun? - Ach, ist ja auch egal. Das ist genug Geschichte für heute. Wann fahren wir?“
“Does that mean you’re coming?”
“Well, back in the 1850s when the settlement grew, they named it the town of Berlin.”
„Ach Quatsch. Wirklich? Und wieso hat man es umbenannt? Berlin ist doch kein schlechter Name - im Gegensatz zu -“
Courtney laughs. “Kitchener? - Yeah, you're right. ... If I recall it correctly, it had to do with the war. They had to rename it and the decision was made to name it after Lord Kitchener, a British Minister of War.”„Ui, was hat denn der englische Kriegsminister damit zu tun? - Ach, ist ja auch egal. Das ist genug Geschichte für heute. Wann fahren wir?“
“Does that mean you’re coming?”
„Ja. An welchem Tag wollt ihr denn hin?“
“It’s this week and we thought
about going on Saturday or Sunday. Would that work for you?”
Sonja wirft einen Blick auf den Dienstplan, der im Café hängt. „Samstag
habe ich frei. Das würde gehen.“ In dem Moment klingelt die Glocke er
Eingangstür. Ein Kunde kommt herein.
“Great. Then I’ll get the tickets,” Courtney
replies. “What about Stephen? Do you think he’d come along, too?”
„Keine Ahnung. Ich
frag’ ihn und rufe dich später wieder an, ok? Ich muss jetzt arbeiten.“
“Sure, no rush. If you let me know by tonight, that's fine.”
„Super. Dann bis heute Abend.“
“Ok, talk soon. Bye.”
Sonja legt das Telefon beiseite und wendet sich dem Kunden zu. Sie
kennt ihn schon. “Good morning. … Sorry about that. …Would you like a large coffee as always?”
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen